Straßennamen - historische Namensgebung
Friedrich-Castelle-Straße
Die Friedrich-Castelle-Straße wurde nach dem Dichter und Rezitator Friedrich Castelle (1879-1954) benannt. Er gehörte zu den Mitbegründern des Westfälischen Heimatbundes und gab mehrere Zeitschriften heraus, so „die Heimblätter der Roten Erde“, die „Bergstadt“ und den „Türmer“. Tätig war Castelle als Rundfunk-Sendeleiter und Intendant sowie als Lektor für Vortragskunst an der Uni Münster. Durch seine umfangreiche Vortragstätigkeit und Rezitationsabende deutscher Dichtung – insgesamt über 5000 – wurde er in ganz Deutschland bekannt. Castelle war Herausgeber einer weitverbreiteten Löns-Ausgabe, ebenso gab er die Werke von Annette von Droste-Hülshoff heraus. Er schrieb Gedichte in hochdeutsch und platt. 1925 erhielt er den „Literaturpreis des Deutschbundes für nationales Schrifttum“.
Seit dem 05.01.1933 war Friedrich Castelle Mitglied der NSDAP und trat nach 1933 als Propagandist des Nationalsozialismus auf. Er war Obmann der NS-Kulturgemeinde für den Kreis Burgsteinfurt und stellvertretender Intendant im Reichssender Köln. Während des Krieges war er Leiter einer Presse- und Nachrichtenabteilung sowie Leiter des Senders Luxemburg. 1935 versuchte er aus der Annette von Droste-Gesellschaft eine nationalsozialistische Vereinigung zu machen.
Lerschweg
Heinrich Lersch wurde am 12.09.1889 in Mönchengladbach geboren. Nachdem er von seinem Vater das Handwerk des Kesselschmieds erlernt hatte, ging Lersch auf Wanderschaft und arbeitete in verschiedenen deutschen Städten. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldete sich Lersch als Kriegsfreiwilliger. Der Refrain seines Gedichtes „Soldatenabschied“ machte ihn noch 1914 als Kriegslyriker bekannt: „Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!“ Wegen der Folgen einer Verschüttung (Asthma, nervöse Magenbeschwerden) war Lersch ab Mitte 1915 dienstuntauglich. Die Kesselschmiede seines Vaters führte er noch bis 1924 und gab sie danach wegen eines Lungenleidens auf. Infolge seiner Krankheit kam es zu mehreren Erholungsaufenthalten im Ausland. Als Schriftsteller war Lersch Autodidakt und gilt neben seiner sozialistischen Ausrichtung als Vertreter eines katholisch geprägten Expressionismus.
1932 zog Lersch mit seiner Familie nach Bad Bodendorf an der Ahr, um in der Nähe des Heilpraktikers Matthias Leisen zu sein.
Zu Beginn der Zeit des Nationalsozialismus, im Mai 1933, wurde er in die Preußische Akademie der Künste berufen. Im Oktober 1933 gehörte er zu den 88 deutschen Schriftstellern, die das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichneten. Nach dem Tod des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg unterzeichnete er am 19.08.1934 einen Aufruf der Kulturschaffenden anlässlich der „Volksbefragung“ zur Vereinigung des Amtes des Reichskanzlers und Reichspräsidenten in der Person von Adolf Hitler. Im August 1935 trat Lersch in die NSDAP ein. Im selben Jahr erhielt er den mit 200 Mark dotierten Rheinischen Literaturpreis.
Heinrich Lersch starb 1936 in Remagen im Alter von 46 Jahren an Lungenentzündung, verbunden mit einer Rippenfellentzündung. Zu seinem Ehrenbegräbnis erschienen einige Tausend Trauernde.
Lönsweg
Am 29.08.1866 wurde Hermann Löns in Culm bei Bromberg in Westpreußen geboren. Er fiel am 26.09.1914 während des Ersten Weltkriegs bei Loivre in der Nähe von Reims.
Er war das älteste von 14 Kindern und besuchte nach der Versetzung des Vaters das Paulinum in Münster, wo er 1887 das Abitur machte. Danach studierte er zunächst Medizin, später Mathematik und Naturwissenschaften, machte aber nie einen Abschluss. 1891 wurde er bei einer Zeitung in Kaiserlautern eingestellt, aber bereits ein Jahr später wegen Alkoholproblemen und Unpünktlichkeit entlassen. Nach einer kurzen Station in Gera arbeitete er in Hannover bei verschiedenen Tageszeitungen, war daneben aber immer auch als Schriftsteller und Dichter tätig.
Kurz nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges meldete er sich als Freiwilliger, fiel aber bereits bei seinem ersten Sturmangriff. Zunächst beerdigte man ihn in einem Massengrab in einem Granattrichter, doch wurde 1918 ein deutsches Kommando mit der Suche nach dem Grab beauftragt. Die (angeblichen) Gebeine wurden 1919 zunächst auf einem nahen gelegenen Militärfriedhof beigesetzt, 1920 in ein Massengrab auf einem Soldatenfriedhof in Loivre umgebettet. Da nie mit Sicherheit bestätigt werden konnte, dass es sich tatsächlich um die Gebeine von Hermann Löns gehandelt hatte, glaubte man 1933 den Angaben eines Bauern, der die Überreste auf einem Feld zufällig gefunden und an einer Erkennungsmarke identifiziert haben wollte. Letzteres war Anlass, dass die Gebeine 1934 auf Anordnung Hitlers unverzüglich in Frankreich exhumiert und nach Deutschland transportiert wurden. Die Bestattung des Dichters sollte wegen seines Bezuges zur Lüneburger Heide in diesem Gebiet stattfinden. Aber man konnte sich zunächst nicht auf einen Ort einigen. Wegen der ungeklärten und peinlichen Angelegenheit des Beisetzungsorts entführten SA-Angehörige den Sarg aus der Friedhofskapelle in Fallingbostel und beerdigten ihn bei Barrl an einer Wacholderbaumgruppe. Ein Jahr später grub ihn die Reichswehr wieder aus und beerdigte ihn bei Walsrode.
Schon zu Lebzeiten wurde Löns, dessen Landschaftsideal die Heide war, als Jäger, Natur- und Heimatdichter sowie als Naturforscher und -schützer zum Mythos. Dies wurde vor allem seit 1935 durch die Nationalsozialisten vorangetrieben, die ihn zum Nationalhelden stilisierten. Letzteres fiel durch die Schriften, die oft nationalistische Anklänge aufweisen, leicht. Zu nennen ist hier vor allem der Roman „Der Wehrwolf“, der von der NSDAP zum „nationalen Besitz“ des deutschen Volkes erklärt wurde. Löns selbst hatte es als sein „Kriegslied“ bezeichnet. Immer wieder äußerte er sich in seinen Publikationen sozialdarwinistisch, rassisch-völkisch und antisemitisch.
Weiterführende Literatur zu Hermann Löns und zur Diskussion um die Umbenennung umstrittener Straßennamen ist zu finden in: Matthias Frese (Hg.), Fragwürdige Ehrungen!? Straßennamen als Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur, Münster 2012.
Wagenfeldstraße
Als Sohn eines Eisenbahnbeamten wurde Karl Wagenfeld am 05.04.1869 in Lüdinghausen geboren. Seine Kindheit verbrachte er in Drensteinfurt. Ab 1886 besuchte er das Warendorfer Lehrerseminar, das er 1889 mit dem Ersten Staatsexamen abschloss. Bereits 1913 gab er den Anstoß für die Gründung des Westfälischen Heimatbundes, die 1915 erfolgte. 1919 übernahm er gemeinsam mit Friedrich Castelle die Redaktion des volkskundlichen Teils der Heimatblätter der Roten Erde. Als Castelle ausschied, hatte er die Redaktion bis zur Einstellung der Zeitschrift im Jahre 1927 allein inne. Von 1921 bis 1926 übernahm er die Geschäftsführung des Heimatbundes. Seit 1914 war er von den Pflichten seines Schulamtes entbunden, um sich den volkskundlichen Forschungen voll widmen zu können. In den letzten Jahren seines Lebens war er von Krankheit geschwächt. Er starb am 19.12.1939.
In seinen Schriften setzte er sich schon früh für den Schutz von Kultur, Sprache und Sitten ein. Im Laufe seines Lebens steigerte sich dies bis zur Hervorhebung der westfälischen bzw. germanischen Stammesart und der damit einhergehenden Entwicklung eines national-rassisch begründeten Feindbilds gegen alles Fremde. Alles Fremdrassige lehnte er nicht nur ab, sondern forderte auch zum aktiven Kampf dagegen auf, wobei er auch für die Einhaltung eugenischer Maßnahmen gegen „Minderwertige“ zur Reinhaltung der eigenen Rasse plädierte. In der NSDAP, der er bereits 1933 beigetreten war, sah er die Möglichkeit, seine Ideologie zu verwirklichen.
Nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs geriet sein publizistisches Werk immer mehr in Vergessenheit. Was blieb, war sein Wirken als Gründer des westfälischen Heimatbundes, das letztendlich in den 50er Jahren zu einer Vielzahl von Straßenbenennungen führte.
Seit den 80er Jahren wird – zeitgleich mit der vertieften Auseinandersetzung um die Geschichte der Nationalsozialisten und des Dritten Reiches - das Gesamtwerk Karl Wagenfelds in der historischen Forschung eher kritisch betrachtet. Nicht nur „direkte“ Täter treten in den Fokus der Betrachtung, sondern auch diejenigen Personen, die moralisch und politisch mitverantwortlich für die Etablierung und Stabilisierung des nationalsozialistischen Unrechtssystems sind.
Weiterführende Literatur zum Wirken Karl Wagenfelds und zur Diskussion um die Umbenennung umstrittener Straßennamen ist zu finden in: Matthias Frese (Hg.), Fragwürdige Ehrungen!? Straßennamen als Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur, Münster 2012.